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Inhalt:
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Eine der Lichtgestalten der Neuzeit entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein typisches Kind seiner Zeit: ehrgeizig und
rücksichtslos, wild auf Gold und Ruhm, ignorant und so fanatisch religiös, das er selbst seine gläubigen spanischen Kollegen zu Tode nervt. Kolumbus hat Amerika nicht endeckt, jedenfalls nicht, was ihn
selbst anging: er hatte nur einen neuen Seeweg nach Asien endeckt. Die Kugelgestalt der Erde war ebenfalls nicht seine Entdeckung, ihm gebührt allenfalls das Privileg, ihren Umfang so schlecht wie kaum
einer vor und nach ihm ausgerechnet zu haben. Jakob Wassermann nennt ihn den
Don Quchote des Ozeans
, der mit seiner Entdeckung immerhin eine “Revolution der Phantasie” auslöste.
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Talavera
war von Amts wegen Bischoff, darüber hinaus Beichtvater und Vertrauter der spanischen Königin Isabella, er war der heimliche Lenker in Kastilien. 1492 wird mit Granada die letzte maurische Bastion in Spanien unter anderem auf dauerndes Betreiben von Talavera zurückerobert. Isabella macht ihn zum Erzbischof von Granada.
Er regt eine arabische Grammatik in lateinischer Schrift an und will sogar - zum Horror
einiger Kollegen (“Perlen vor die Säue”) - eine Bibelübersetzung in die Sprache der maurischen Heiden. Und dass zu einer Zeit, in der Bibeln in kastilischer Volkssprache verboten und verbrannt wurden!
Immerhin kommen auf sein Betreiben arabische Musikinstrumente in Gottesdiensten zum Einsatz.
Im Mai 1486 wird die Einsetzung einer Komission beschlossen, die den Antrag von Kolumbus
überprüft und 1490 ablehnt.
Epitaph
"En esta casa nacio D. Fr. Hernando de Talavera Prior del Monasterio de Prado obispo de
Avila, primer arzobispo de Granada y examinador de los proyectos de Cristobal Colon. La patria a su hijo ilustre ano 1892 en los dîas del cuarto centenario del descubrimiento de America".
Quelle:
Bautz
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Ein Antrag
Um seinen Lebentraum von der Westroute nach Indien zu verwirklichen musste Kolumbus bei der
Talavera
-Kommission
vorstellig werden. Diese nach dem vorsitzenden spanischen Bischof benannte Runde betrachtete Kolumbus nicht als Angeklagten, sondern als Antragsteller: er brauchte Schiffe, Geld und eine Genehmigung.
Kolumbus wurde nicht
ausgelacht
, weil er behauptet hat, die Erde sei rund: dies war auch schon 1492 eine bekannte Tatsache. Schon 1485 lehnte ihn die entsprechenden, von König Joao II. von
Portugal eingesetzten
"Junta dos Mathematicos
" ab
,
der auch Martin Behaim aus Nürnberg angehörte (man suchte dort eigentlich nach Methoden um Breitengrade genau zu bestimmen).
Die Erde ist flach
Niemand in der Talavera-Kommission wird eine flache Erde geglaubt haben. Simek* stellt fest, das es bei den Kirchenvätern nur zwei Stellen gibt,
die mit der Ablehnung der Kugelgestalt der Erde zu tun haben: einmal in den
Divinae institutiones
des afrikanischen Kirchengelehrten
Firmianus Lactantius
- er lehnt Kugelgestalt, Antipoden und die Existenz der Schwerkraft ab (“I don’t believe in gravity.” sagt das schwangere Hippiemädchen in Lous Malles
Atlantic City
) - und
Kosmas de Indikopleustes
(= der Indienfahrer), der in der ”verworrenen, um 545 verfassten Topographia Christiana” (Simek, S. 12) ein altarförmiges Weltbild vertritt (Arno Schmidt beschreibt Kosmas’ Weltbild als Bundeslade in seiner Erzählung
Kosmas
oder der Berg des Nordens
). Kosmas wurde erst 1706 ins Lateinische übersetzt und war vermutlich der Talavera-Kommission unbekannt: nur drei griechische Handschriften sind überliefert.
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“Zur Erklärung der geläufigen Himmelserscheinungen erhebt sich am Nordrand der Inneren Erde
ein zuckerhutförmiger Riesenberg - der <Berg des Nordens> - seine Höhe ist gleich der Länge der Ökumene. Um ihn herum werden - und zwar von Engeln - Sonne, Mond und Gestirne geführt; wobei der
Schatten des Berges die Erdnacht ergibt : im Sommer steigt die Sonne bekanntlich hoch; folglich entstehen kurze und helle Nächte, weil sie hinter der schmalen Spitze des Berges nicht lange verborgen
bleiben Kann. Je mehr sich die Wnterszeit nähert, desto tiefer sinkt sie - der Berg wird breiter, folglich die Nächte länger. Die Hypothese ist wirklich mit allem möglichen Scharfsinn ausgearbeitet, und
Kosmas weiß auf seine Weise dadurch die Finsternisse zu erklären, dier kürzeren Schatten der südlichen Länder, usw. usw.” (Arno Schmidt, Henoch, NT und Kosmas, in: Aus julianischen Tagen, Frankfurt 1979,
S. 58f)
“Die klare Stimme des gesunden Menschenverstandes sprach aus
Nicolas Oresme,
dem königlichen Berater der Philosophie, der sowohl die Astrologie als auch die Hexerei verachtete. Obwohl ein Bischof, war Oresme ein naturwissenschaftlicher Kopf, ein Mathematiker und Astronom, überdies der Übersetzer von Aristoteles’
Politik
und
Ethik.
Eines seiner Bücher begann mit den Worten: “Die Erde ist rund wie ein Ball.” und er postulierte auch die Rotation der Erde.”” (Barbara Tuchman, Der ferne Spiegel, S. 287)
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How Far from Cipangu
Für die Talavera-Kommision dürfte die Hauptfrage die Distanz zwischen Westspanien und der Ostküste Asiens gewesen sein. Bei der Diskussion wird
man sich auf
Paolo Dai Pozzo Toscanelli
(1397 – 1482,
Toscanellis Karte
zeigt die Vorstellung), der mit Kolumbus,
Regiomontanus
und
Nikolaus von Kues
korrespondierte, gestützt haben. Dabei hat Toscanelli - wie im Verfolg auch Columbus - die asiatische Landmasse zu breit geschätzt.
Columbus suchte sich bei den antiken Quellen die falsche aus:
Marinus von Tyros
hatte 225 Grad (von 360, also mehr als 2/3 des Erdumfangs!) für Asien errechnet, eine Zahl die Ptolemäus auf immer noch weit übertriebene 180 Grad herunter rechnete. Mit dem Marco-Polo-Faktor (weitere 28) kommt Columbus auf 253 Grad. Japan liegt 30 Grad vor China, macht 283. Da bleiben noch lächerliche 60 bis 70 Grad zwischen Europa und Asien. (Tatsächlich liegt Japan 140° Ost und Lissabon 10° West, also blieben 360 - 150, immerhin 210° gegenüber 60°!).
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Nikolaus von Kues
Paolo dai Pozzo Toscanelli
Kues und Toscanelli sind eng mit
Laurentius Valla
befreundet, einem Philosophen und Logiker,
der unabhängig von Nikolaus die
Konstantinische Schenkung
als Fälschung bewies (philologisch: das Latein der Schenkungsurkunde ist nicht antik, zu neu)
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Wie breit ist Asien?
Ptolemäus:
180° - einmal halb rum (hellgrün)
Marinos von Tyros (& Toscanelli):
225° - mehr als 2/3 (dunkelgrün)
Marco Polo:
noch 28° mehr - 253° (blau)
Kolumbus:
30° weiter wg. Japan - 283° (rot)
wirklich:
150° (gelb)
Hätte er das wissen könne`?
Er hätte!!
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Columbus made two separate attempts to measure his latitude by two different methods on December 13, while anchored in a harbor in northern
Haiti. Columbus had read works by the Greek astronomer Ptolemy, and he knew that Ptolemy often referred to a city's latitude according to the length of daylight
at the summer solstice (more northerly places have longer daylight at summer solstice). December 13 was the day after the winter solstice in 1492, which is just as good for latitude measurements
(because: the length of daylight at summer solstice is about the same as the length of night at winter solstice). Columbus took the opportunity to measure the length of daylight, finding
that the day was 10 hours long. This is also a fairly bad result, but Columbus did not convert the daylight measurement into a latitude, probably because he did not
know enough trigonometry to do so.
Keith A. Pickering auf seiner
Columbus-Site
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Die anfängliche Ablehnung durch die Kommission ist weiter nicht verwunderlich: “Zu vage sind die Aussagen sowohl der Bibel und der Kirchenväter,
aber auch der antiken Autoritäten und der hochmittelalterlichen Gelehrten, um aus ihnen eine klare Antwort über die Form, die Größe und die Beschaffenheit unserer Erde und des Kosmos überhaupt zu
ziehen.” (Simek, S.. 14) Simek argwöhnt zu recht, das die Auseinandersetzung schließlich nicht theologisch, sondern mathematisch geführt wurde: es ging um das
Maß des Breitengrades.
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Kolumbus’ Lieblingsstelle Jes. 60,9:
Die Inseln harren auv mich, und die Schiffe im
Meer von länst her, dass sie deine Kinder von ferne herzu bringen, samt ihrem Silber und Gold, dem Namen des Herrn, deines Gottes [...]
(nach: Alexander Venzke, Columbus, Reinbek bei Hamburg 1992)
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Geozentrismus
Sieben Jahre wartet Kolumbus auf die Bewilligung der Talavera- Kommission, und in dieser Zeit beschäftigt er sich, wie viele seiner Zeitgenossen,
mit den überlieferten Kosmographien. Die Erde stand in dieser Zeit nach gängiger Auffassung im Zentrum konzentrisch angeordneter Sphären (Weltzwiebel).
Diese Ansicht datiert schon aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert, erstmals von
Euxodos von Knidos
(ca. 408 - 350 v. Chr,
Link mit Movie!
) vertreten, dann von
Aristoteles
auf 27 Sphären erweitert. Abgeschlossen wurden diese Systeme durch
Hipparch von Nikaia
(2. Jhd. v. Chr., Hipparch und seine Kollegen beobachteten vor allem in den frühen Morgenstunden [dazu: Bierce,
Morning],
weil es ihnen offensichtlich um die Wettervorhersage ging) und den Mathematiker
Ptolemäus
(2. Jhd. n. Chr.).
Die Sphärenmodelle wurden im Mittelalter zunehmend mathematisiert. ”Diese Sphären stellte sich wohl kaum ein Gelehrter des Mittelalters als
kristallene Kugeln vor wie Ptolemäus, sondern als rechnerische Größen, die von den Umlaufzeiten der Planeten bestimmt wurden.” (p. 17)
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Hipparch von Nikaia
ca. 190 - 125 v. Chr., fertigte den ersten Sternkatalog der Antike mit
über 1.000 Sternpositionen und Helligkeitsangaben, entdeckte eine Nova (um 134 v. Chr.) und vermaß die Entfernung Erde-Mond zu 59 Erdradien (heute 60,4 ER). Hipparch
berechnete außerdem den Monddurchmesser zu 3/11 Erdradien und fand heraus, dass die Entfernung Erde-Mond nicht gleich ist und dass sich der Mond nicht immer mit gleicher
Geschwindigkeit um die Erde bewegt.
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Die Erde lag im Zentrum dieser Sphären nicht etwa wegen ihrer Bedeutung, sondern - im Gegenteil - wegen ihrer Bedeutungslosigkeit: Erde liegt als
schwerstes Element am weitesten unten, also vom Zentrum aus alle Sphären weiter oben.
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De insulis nuper inventis
Dieser Brief unterrichtete die Öffentlichkeit von Kolumbus’ Entdeckung.
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* Rudolf Simek,
Erde und Kosmos im Mittelalter,
Augsburg 2000
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